Was hat der Grashalm oder das Bambusrohr mit einem Hochhaus zu tun? Die Technologie bei der Errichtung von Hochhäusern hört bei der Selbstversorgung sowie der Nachhaltigkeit noch lange nicht auf. Wer die Entwicklung der intelligent und ökologisch ausgerichteten Neuentwicklungen verfolgt, wird den Eindruck bekommen, dass wir uns mit einer rasanten Geschwindigkeit auf eine völlig neue zukunftsorientierte Wohn- und Arbeitswelt zubewegen.
Die Evolution der Hochhäuser
Die Meilensteine der Hochhäuser haben sich in der jüngeren Zeit der Menschheit immer mehr verdichtet. Hochhäuser: selbstversorgende Energie-Hochhäuser – Ökologie-Hochhäuser mit Landwirtschafts-Ebenen und Gärten – Hochhäuser erbaut mit natürlichen Rohstoffen… und nun Hochhäuser, die den Grashalm zum Vorbild haben. Zugegeben, das klingt sehr provokant. Aber die neueste Entwicklung basiert auf der Erforschung von Grashalmen und Bambusrohr. Diese Wissenschaft ist als Bionik bekannt und hat schon einiges aus der Natur „abgeguckt“.
Soll nun ein Hochhaus nach dem Prinzip eines Grashalmes errichtet werden und vor allen Dingen so biegsam wie ein Grashalm sein? Ist dies also nun das neueste Modell für die nächste Generation von Hochhäusern und Turmbauten? Wenn man den Forschern Glauben schenken soll, dann steckt dahinter sehr viel mehr, als man vermuten möchte. Grashalme sind ein kleines technisches Wunder. Sie haben durch ihre hohle Konstruktion die besten Voraussetzungen, dem stärksten Wind standzuhalten und trotzdem biegsam zu bleiben. Sie sind nichts weiter als schlanke, sich selbst tragende Hochbauten und das in perfekter Weise.
Ein Grashalm ist intelligent
Das Geheimnis liegt in dem variantenreichen Aufbau der Halme. Einige Grassorten haben Stützelemente versehen mit einer Doppelringwand. Selbst hydraulische Elemente konnten von den Forschern erkannt werden. Das Zellgewebe zwischen den Ringwänden ist mit Wasser aufgefüllt, so dass das Gewebe nicht zusammengedrückt werden kann. Dies stabilisiert die Konstruktion eines langen Halmes zusätzlich und macht ihn zum idealen Hochbau. Damit nicht genug. Ein Grashalm ist darüber hinaus auch noch intelligent. So kann er den Wassergehalt seines Gewebes und somit die Stärke der Biegefestigkeit aktiv verändern. Mit den Hohlräumen ist der Grashalm für die Architektur der Zukunft das ideale Vorbild zur Konstruktion von hohen Tragwerken. Eine neue Generation von Hochhäusern steht uns also bevor.
Bionik – die Natur ist unser Vorbild
Die Disziplin der Bionik-Forschung ist nichts weiter, als die Natur zu beobachten, zu entschlüsseln und zu kopieren – vereinfacht ausgedrückt. Bionik setzt sich aus den Begriffen „Biologie“ und „Technik“ zusammen. Die Forschung ist noch jung und hat sich erst in den letzten Jahrzehnten zu einer etablierten Wissenschaft entwickelt. Die Natur wird als Vorbild angesehen, beobachtet und ihre Mechanismen versucht technisch umzusetzen. Es geht also um das systematische Erkennen von Lösungen aus der Natur. Diese interdisziplinarische Forschung zieht Naturwissenschaftler, Architekten, Ingenieure, Designer und Philosophen gleichermaßen an. Besonders die Technische Universität in Berlin sowie die Universität des Saarlandes betreiben mit großem Erfolg und entsprechendem Programm Bionik. Daneben sind praktisch alle Großunternehmen und Forschungsinstitute weltweit sehr engagiert.

Das Bambusrohr ist Vorbild für Flexibilität
In Taipeh, der Hauptstadt von Taiwan, wurde das „Taipei World Financial Center“ – auch kurz „Taipeh 101“ genannt – von 1999 bis 2004 errichtet und imitierte die Bauweise des Bambusrohres. Die aus Stahl und Glas bestehenden Elemente des futuristisch anmutenden Turms sind schuppenartig angeordnet, die der äußeren Struktur des Bambus‘ sehr nahe kommen und dem Wolkenkratzer Flexibilität verleihen. Da Taipeh in der Erdbeben-reichsten Region der Welt liegt, war dieses Projekt mit einer Höhe von 828 Metern ein gewagtes Projekt. Durch die zahlreichen Querverstrebungen wurde das Röhrenprinzip des Bambusrohres übernommen und so ist es möglich, dass dieses Hochhaus bis zu sieben Metern schwingen kann.
Wasser wehrt Schockwellen ab
Als Zukunftsprojekt und damit architektonische Vision gilt der „Bionic Tower“, der als erstes Bauwerk die Ein-Kilometer-Marke übertreffen und in Shanghai errichtet werden soll. Inspiriert von der Bionik-Wissenschaft wurde die Planung von spanischen Architekten bereits im Jahre 1996 begonnen. Der Super-Tower mit Grünanlagen soll in einem künstlich angelegten See mit 1.000 Metern Durchmesser errichtet werden sowie mit einem 200 Meter tiefen Fundament. Durch die Errichtung im Wasser sollen bei einem eventuellen Erdbeben Schockwellen besser abgedämpft werden können. Feuerfeste Zwischendecken beugen einem möglichen Feuerinferno vor. Das Zigarren-förmige Gebäude ist mit 300 Stockwerken geplant, die circa 100.000 Menschen Platz zum Leben und Arbeiten bieten. Das Bauprinzip ist dem eines Baumes angelehnt und soll mit einem eigenen Autobahnnetz, Bahntrassen und zahlreichen Piers, die ringförmig das Gebäude umgeben, versehen werden. Die Bauzeit soll 15 Jahre betragen und ungefähr 15 Milliarden US Dollar verschlingen.
Was uns nun die Grashalm-Architektur für die Zukunft bringen wird ist für unsere Generation erst einmal ungewiss. Aber vielleicht werden wir ja noch einen Hochbau erleben, dessen Dach hauchdünn ist und uns trotzdem den stabilsten Schutz bieten wird. So geschehen wie beim Jenaer Planetarium, das einst 1923 mit einer Spritzbetonkuppel errichtet wurde. Die Dicke dieser Kuppel wurde durch die Extrapolation, also die Bestimmung eines Verhaltens über einen gesicherten Bereich, anhand einer Hühnereierschale errechnet.
